VoxGothica

Der tosende Sturm und die rasenden Blitze Der brüllende Donner, sie schrecken mich nicht. Heller noch glüht mir ein einsames Licht Das den Schleier um mich herum durchbricht Und den Weg ans goldene Ufer weist. Es ist jener unbezähmbare Geist Der in gläserner Kälte und flirrender Hitze Mich wärmt und mir Schatten spendet. Mit schützender Hand und sich'rem Geschick Das Unheil zum Guten wendet. Auf ihren Schultern ruht mein Glück. Wohl oder Wehe verkündet ihr Blick. Sie kann mir ein jedes Lächeln schenken Oder in tausend Tränen mich tränken Und mich meiner Sinne berauben. Nur, wenn s

Sie sah ihn an. Er sah sie an. Hand in Hand, Schulter an Schulter standen sie auf dem Hügel und blickten in die untergehende Sonne. Der kühle Wind jagte ihr einen Schauer über den Rücken, und ihre nackten Zehen im feuchten Gras waren schon fast taub. Die Stadt unter ihnen - ein zähes, graues Meer, das die Landschaft bedeckte. Sie konnte sich kaum mehr erinnern, wie das Leben dort gewesen war. Wirbelnde Wolkenschlieren spielten in einem pastellfarbenen Himmel. Alles wirkte verdunkelt, wie von Staub bedeckt. Die Brise trug einen feinen Geruch nach Zimt. Sie wusste nicht warum, und es war auch egal. Sie atmete tief ein u

She looked at him. He looked at her. Hand in hand, shoulder to shoulder they stood on the hill, staring into the setting sun. The cool wind sent a shiver down her spine, and her naked toes in the wet grass felt almost numb. The city beneath them - a thick, gray sea covering the landscape. She could barely remember what it had been like living there. Clouds were whirling in the mellow sky. Everything seemed darkened, as if covered with dust. The breeze carried a faint scent of cinnamon. She did not know why, and it did not matter. This last evening simply had to smell like cinnamon, and why not? She took a deep breath and let the bittersw

Vor fünfhundert Jahren, verborgen im Wald Stieß der Baum durch das feuchtgrüne Moos Seinesgleichen umgab ihn, beschützte den Trieb Der damals noch hilflos, zart und bloß. Es lebte damals in Wittenberg Ein Mann, der als Luther bekannt Er lehnte sich auf gegen Kirche und Papst Und ward Reformator genannt. So zog man das Schreckgespenst Inquisition Zur Verfolgung der "Ketzer" heran Doch Freiheit von Unterdrückung und Joch Schlug zu viele Menschen in Bann. Himmelwärts ragte der Wipfel des Baums Scheute das Rasen des Sturmes allein Doch nach vielen Jahrzehnten in seliger Ruh Brach Krieg übers Land herei

I guess I'm more drunk than I thought because just a few seconds ago, when I glanced towards the barstool to my left, the Grim Reaper sat there. I rub my eyes. No doubt. It's him. The scythe is propped lazily against the bar. „Well, look who we have here", I say. „The Grim Reaper." The skull under the black hood nods. The sound is horribly similar to cracking bones. „Right", he says. „So, what are you doing here?", I ask him. „Well, what do you think?", he asks back. A bit passive-aggressive, but maybe he had had a rough week. I decide to let it slide. „I sure hope you're not going to take me with you tonight?", I enquire of him. Grim

Ich muss wohl doch schon betrunkener sein, als ich dachte, denn als ich eben nach links zum Barhocker neben meinem geschaut habe, saß da ganz eindeutig der Tod. Ich riskiere einen zweiten Blick. Kein Zweifel. Er ist es. Die Sense lehnt lässig am Tresen. "Sieh an", sage ich. "Der Tod." Der blanke Schädel unter der schwarzen Kapuze nickt. Ich höre etwas, das frappierend wie aufeinander reibende Knochen klingt. "Stimmt", sagt er. "Was führt dich denn hier her?", frage ich. "Was denkst du denn?", fragt er zurück. Etwas passiv-aggressiv, aber ich will es ihm mal durchgehen lassen. Vielleicht hatte er eine stressige Woche hinter sich. "Ich h

Langsam und träge fließt Tag um Tag Kalt pfeift der Wind über Dächer. Das Licht wird immer noch schwächer, bis es nicht mehr zu wärmen vermag. Noch hält mich die Dunkelheit fest in der Hand Wolken stehen dort, wo die Sonne einst stand Doch im Frühling, wenn Blumen und Gräser grün Wird auch aus mir neues Leben erblühen. Zwar sterben die Bäume im Herbst dahin, doch treiben sie auch wieder aus. Und sobald mich ein neues Jahr zu sich ruft Brech' ich wie der Schmetterling aus seiner Gruft aus meiner Ummantelung heraus. So hoff' ich, und träum' ich Und verfluche die Zeit Denn der Winter ist hier - Der Sommer noch weit.

Irgendwann schließen wir unsere Augen Träumen uns fort übers endlose Meer Hissen die Segel gen besseres Leben Vergessen das Leid und die Sorgen so schwer Und haben wir die See lang genug befahren Kommt schon in Sicht das erlösende Land Glitzert im Licht jene goldene Küste Rollen die Wellen an den leuchtenden Strand Dann sind wir auch endlich wahrhaftig zuhause Dort unter dem wärmenden Sonnenschein Entsinnen uns lächelnd des irdischen Treibens - Ach, könnt' man sich dessen nur sicher sein!

Ein großer, schwarzer Vogel landete auf einem schmutzig weißen Gegenstand. Früher hätte man ihn als "Rabe" bezeichnet, aber das wusste er natürlich nicht, und es war niemand mehr da, der sich an die Bezeichnung des Tieres erinnerte. Genau genommen war überhaupt niemand mehr da. Wie viele Jahre mochten vergangen sein? Dreihundert, vielleicht vierhundert? Es war kein schleichender Prozess, wie eine Seuche, die mit einem Opfer beginnt und schließlich die gesamte Bevölkerung der Erde auslöscht. Es war auch keine Naturkatastrophe, zum Beispiel ein gigantischer Asteroid, der den Planeten auseinanderger

Wir alle sind aus Staub gemacht. Nichts als weiches Fleisch und viel zu schwache Knochen. Schnell zerfetzt durch spitzen Zahn Und messerscharfe Krallen; Wir alle sind aus Staub gemacht, zu Staub sollen wir zerfallen. Wir alle sind aus Lehm gemacht. Nichts als kalter Stein und bröckelige Felsen. Ausgehöhlt durch bitt'ren Sturm, von Moos langsam erklommen; Wir alle sind aus Lehm gemacht, zu Lehm sollen wir verkommen. Wir alle sind aus Sand gemacht. Nichts als schimmernd' Glanz im unendlichen Ozean. Erodiert durch Salz und Flut, konnt' nie vom Meer genesen; Wir alle sind aus Sand gemacht, zu Sand sollen wir verwesen.